Ein paar Worte zur Rede von Frau Merkel
Zitat von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Pressekonferenz mit US-Präsident Barack Obama über die deutschen Sorgen über das Internet-Spähprogramm Prism des amerikanischen Geheimdienstes NSA:
„Das Internet ist für uns alle Neuland. Und es ermöglicht auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung natürlich, mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu Leben in Gefahr zu bringen. Und deshalb schätzen wir die Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten von Amerika in den Fragen der Sicherheit.
Aber ich habe auch deutlich gemacht, dass natürlich bei allen Notwendigkeiten von Informationsgewinnung das Thema der Verhältnismäßigkeit immer ein wichtiges Thema ist. Unsere freiheitlichen Grundordnungen leben davon, dass Menschen sich sicher fühlen können. Und deshalb ist die Frage der Balance, die Frage der Verhältnismäßigkeit etwas, was wir weiter miteinander besprechen werden, wo wir einen offenen Informationsaustausch vereinbart haben.“
Bei diesem Zitat hat mein Gesicht mal wieder den Weg zur Schreibtischplatte gesucht.
Zuerst ein wenig die Gemeinsamkeit mit dem einfachen Bürger herstellen („für uns alle“) und dabei im gleichen Satz schon mal ein wenig die Angst schüren „Neuland“. Dann im zweiten Satz direkt auf die angeblich theoretisch möglichen Gefahren eingehen ohne diese natürlich in irgendeiner sinnvollen Art zu benennen, aber selbstverständlich noch ein wenig an die Ur-Angst der Menschen rütteln („unser Art zu Leben“). Wie wir ja alle wissen kann eine neue Art zu Leben ja niemals gut sein, es kann nur eine Verschlechterung sein. Lieber auf der Stelle stehen bleiben und diese Position bis zum letzten Mann/Frau verteidigen, anstatt einen neuen Weg zu versuchen egal wie ansprechend dieser aussieht.
Dann folgt eine wunderbare Formulierung „ Aber ich habe auch deutlich gemacht, dass natürlich bei allen Notwendigkeiten von Informationsgewinnung das Thema der Verhältnismäßigkeit immer ein wichtiges Thema ist.“
Unsere Mutti der Nation hat „deutlich gemacht“, also müssen wir Bürger keine Angst mehr haben, Sie hat sich darum gekümmert. Aber worum genau? Erstens es existiert eine „Notwendigkeit der Informationsgewinnung“ in diesem Medium und zweitens das „Thema der Verhältnismäßigkeit „ ist wichtig, wie wichtig und welche Priorität es hat steht dort aber nicht. Es klingt aber gut wenn es „wichtig“ ist.
„Unsere freiheitlichen Grundordnungen leben davon, dass Menschen sich sicher fühlen können.“ – Was ist diese „freiheitliche Grundordnung“ eigentlich?
Frau Merkel wird wahrscheinlich die „freiheitliche demokratische Grundordnung“ gemeint haben wie sie mehrfach im Grundgesetz erwähnt wird und es war wohl nur ein kleines Versehen das gerade das „demokratisch“ verloren gegangen ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat den Begriff 1952 etwas präzisiert:
„Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Art. 21 II GG ist eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.“
Da steht das damit die „Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung“ gemeint ist.
Das bedeutet das gerade die „freiheitlich demokratische Grundordnung“ gegen eine massive Überwachung ist, denn bei einer Überwachung meines Lebens oder zumindest eines großen Teiles desselben kann man wohl nicht mehr vom „Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung“ reden, denn wie soll ich mich frei Entfalten wenn ich jeder Zeit damit rechnen muss das man mir genau diese Entfaltung zum Vorwurf macht und das der Staat alles speichert und analysiert. Eine freie Entfaltung sieht in meinen Augen anders aus.
Gut kommen wir zum letzte Satz, Frau Merkel möchte weiterhin über die „Frage der Balance, die Frage der Verhältnismäßigkeit“ in einem „offenen Informationsaustausch“ sprechen. Nicht etwa über die Antwort auf diese Frage geschweige denn wie wichtig sie wirklich ist sondern nur über diese Frage.
Was hat sie also gesagt:
Sie hat die Angst der Bürger gegen das Medium Internet ein wenig geschürt und deutlich gemacht das die Sicherheit über der Freiheit zu stehen hat. Das wir die „Grundlegenden Prinzipien“ in der von Ihr erwähnten „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ teilweise aufgeben um nicht zu sagen opfern müssen um für scheinbare Sicherheit zu sorgen. In wie weit man diese opfern will und wo Sie die Grenze dieser Opferung sieht hat sie nicht erwähnt. Aber die Taten unserer Regierung sprechen da ja Bände, Sicherheit hat absoluten Vorrang. Und Sicherheit und Freiheit vertragen sich nun mal nicht, mit jedem Teil mehr Sicherheit gibt man auch einen Teil Freiheit auf.
Ich finde wir haben schon zu viel unserer Freiheit für diese scheinbare Sicherheit aufgegeben, oder was meint ihr?
Bildquellen
- EPP Summit; Meise, Dec. 2013: By: European People's Party - CC BY